Schulkino

Sonne und Beton

Deutschland 2023 119 min

Regie: David Wnendt

Darsteller: Levy Rico Arcos, Vincent Wiemer, Rafael Klein-Heßling

FSK: 12

Drei heranwachsende Jungs leben Anfang der 2000er-Jahre in Gropiusstadt, einem sozialen Brennpunkt in Berlin-Neukölln. Die Teenager stammen aus zerrütteten Familien und bekommen früh die erbarmungslosen Gesetze der Straße zu spüren. Zwischen Abhängen, (erfolgloser) Anmache von Mädchen, aber auch Schutzgelderpressung durch Drogendealer versuchen sie sich zu behaupten. Das Sozialdrama basiert auf der autofiktionalen Vorlage des Autors Felix Lobrecht und wartet mit Spannung, Tempo und Lokalkolorit auf.

Es sind Kinder. Völlig egal, ob sie Fusel aus der Pulle trinken, hustend Gras rauchen oder dem schönsten Mädchen der Welt die Zunge durch den Zaun zum ungelenken Kuss entgegenstrecken. Es bleiben Kinder. Schutzbefohlene. Halbwüchsige von 15 Jahren, drei Haare am Kinn, die Baggy auf halb 8 und immer diese glühroten Wutwangen. Nur die Welt, in der sie leben, was heißt leben, in der sie sich wehren, behaupten, durchschlagen, die hat so gar nix Kindhaftes: Gropiusstadt, Berlin-Neukölln. Brennpunkt, Schmelztiegel, Problemviertel ... Die Politik, die sich fürs Wegschauen und Weiter-So zu verantworten hätte, hat allerlei Begriffe zur Hand.
Die aber nützen Lukas nichts. Gino, Sanchez und Julius auch nicht. Die haben Stress, immer und überall. In der Schule sowieso, vor allem aber daheim, weil die Mütter überfordert, schwach oder ganz weg sind, die Väter prähistorische Sprüche raushauen („Der Klügere gibt nach ...“) oder gleich zuschlagen. Den größten Stress hat Lukas, kongenial vom jungen Levy Rico Arcos gespielt. Stress und eine Deadline. Morgen 15.00 Uhr soll er 500 Euro Schutzgeld berappen, für so ’ne brutale Dealernase im Park, der sich als Gangster versteht.

David Wnendt hat einen atemlosen Film geschaffen, der in Mark und Bein fährt, dabei aber weder auf kalkulierte Betroffenheit noch schmusige Ghettoromantik setzt, der keinem aufgesetzten Slang erliegt und sich nicht in Schulmeisterei verirrt. Er erzählt mit Humor! Denn davon haben die vier Freunde gottlob eine Menge, auch, weil sie ohne längst platt wären. Der Film beschönigt nichts, von den Leben, in die er schaut, erzählt er glaubwürdig, es sind Parallelwelten für jene von uns, die eher behütet großgeworden sind, Milieus, von denen wir keine echte Ahnung haben. Oder, wie einer der Hauptdarsteller, aus dem durchgentrifizierten Kreuzberg kommend, die morgendliche Fahrt ans Set nach Gropiusstadt beschreibt: „Das war irre weit weg!“ Es könnte anders sein.
SONNE UND BETON ist kraftvoll, voller Zorn und Verzweiflung und zum Glück nicht ohne Hoffnung, wenn er zeigt, wieviel vom Umfeld abhängt, von einem Lehrer vielleicht, der bei Lukas ein Gespür für Sprache erkennt, was ein Ausweg sein könnte. Er zeigt auch, wie wichtig Freundschaft ist, wie Wut entsteht, wenn diese Risse kriegt. Es gibt Momente, die kaum zum Aushalten sind, diese Gewaltexzesse während dieser brütend heißen Hundstage. Denen aber steht die immense Kraft des Zusammenhalts entgegen.

Michael Eckhardt, Player:Web