Tanz: Film

Pina

Tanzt, tanzt sonst sind wir verloren

Frankreich, Großbritannien, Deutschland 2011 103 min

Regie: Wim Wenders

Dokumentarfilm

FSK: 0

Wim Wenders' sehr persönliche Hommage auf die 2009 verstorbene Choreografin und Ballettdirektorin Pina Bausch konzentriert sich im Kern auf vier Tanzwerke der Künstlerin. Sein dokumentarischer Film beobachtet aufmerksam und höchst intensiv die Bühnenaufführungen des Wuppertaler Tanzensembles und verlängert diese dramaturgisch effektvoll in urbane Welten und Naturräume, woraus eine vielschichtige und vielschichtig lesbare Reflexion über Pina Bauschs Tanzkunst resultiert.

wegen Lizenzablauf letztmalig im Kino

Am Anfang ist die Bühne des Wuppertaler Tanztheaters leer. Diesen oftmals so magischen Raum aus der Erinnerung heraus mit neuem Leben, mit Atmosphäre und Emotionen zu füllen, das mag Wim Wenders nach dem Tod von Pina Bausch im Sommer 2009 schwer gefallen sein. Über viele Jahre hinweg plante er eine filmische Annäherung an die weltberühmte Choreografin und Ballettdirektorin; er suchte nach einer adäquaten filmspezifischen Herangehensweise, doch dann stand er angesichts des unerwarteten Tods der knapp 69-jährigen Ausnahmekünstlerin mit leeren Händen da. Dennoch blieb wohl so etwas wie eine Verpflichtung, und es waren am Ende Pina Bauschs Tänzerinnen und Tänzer, die Wenders überzeugten, dass man den Film „jetzt erst recht“ machen müsse – zumal, so Wenders, Pina Bauschs Blick noch auf allem lag.
So füllt sich nun, zunächst zögerlich und behutsam, mit vielen „sanften“ Überblendungen, der Bühnenraum mit Leben, mit Kulissen, mit Licht, Musik und Bewegungen. Es ist wie das Hinabtauchen in einen Traum – oder vielleicht auch das genaue Gegenteil: das Erwachen aus einem Traum, wenn man sich vergewissert, dass nach einem tiefen Schlaf immer noch etwas da ist, das nachwirkt und bleibt.

Wim Wenders’ Annäherung an Pina Bausch als „Dokumentarfilm“ im herkömmlichen Sinn zu kategorisieren, fällt schwer. Viel zu persönlich, viel zu poetisch und betont „unaufklärerisch“ nähert er sich der Künstlerin, ihrem Ensemble und ihrem choreografischen Werk, setzt primär auf die reine Wirkkraft dieser ganz besonderen, „magischen“ Tanzform als schillerndem, ebenso schönen wie beunruhigenden Spiegel eines individuellen Daseins- und Kunstverständnisses, bei dem sich die Trennung von Bühne und Leben aufhebt und sich subtil beobachtete Psychogramme heutiger Menschen abzeichnen – Menschen, die mittels ihrer akrobatischen und doch so „alltäglich“ erscheinenden Körpersprache schlicht und einfach nur „erzählen“: von Ängsten und Nöten, vom Leiden an der Einsamkeit, aber auch von der Lust am Verbotenen, am Leben überhaupt. Wenders sucht seinerseits keine Worte dafür, sondern visuelle Entsprechungen; auch er verlässt die Bühne, folgt den Tanzenden in die Straßen der Stadt Wuppertal, in die freie Natur, in einen herbstlichen Park, an ein Flussufer, in eine Industrieanlage im Ruhrgebiet.

Start: 14.02.2023