Schulkino

Corpus Christi

Boze Cialo

Polen, Frankreich 2019 116 min

Regie: Jan Komasa

Darsteller: Bartosz Bielenia, Eliza Rycembel, Aleksandra Konieczna

FSK: 16

Wer darf eigentlich im Namen Gottes sprechen? Nur die Vertreter der tradierten, aber in heftiger Kritik stehenden Institution Kirche? Oder nicht auch derjenige, der zwar ohne jede Ausbildung ist, aber sich dennoch berufen fühlt, durch Worte und Gesten Gutes zu tun für die Menschen seiner Umgebung? Lädt Daniel, indem er sich das Gewand des Priesters überstreift, Schuld auf sich? Bewirkt sein Tun nicht gleichzeitig auch Vergebung?


Als Daniel aus einer Jugendstrafanstalt in Warschau entlassen wird, soll er in einem Sägewerk auf dem Land den Dienst antreten. Doch die Ambitionen des 20-Jährigen sehen eigentlich ganz anders aus: Er, der in der Anstalt begeisterter Messdiener war, möchte Priester werden – was ihm aufgrund seiner kriminellen Vergangenheit allerdings verwehrt bleibt. In der kleinen polnischen Gemeinde angekommen, meldet er sich jedenfalls nicht beim Sägewerk, sondern gibt sich als Geistlicher aus. Der Coup geht auf: Zunächst als eher schüchterne Vetretung des alten Ortspfarrers angesehen, gelingt es Daniel mittels Smartphone, authentischer Begeisterung und unorthodoxen Methoden, die Menschen des Ortes für sich einzunehmen. So rät er einer Frau, die sich im Beichtstuhl über ihren rauchenden Sohn beschwert, diesem besonders starke Zigaretten zu kaufen, predigt, dass Gottesglaube nichts Mechanisches sein sollte und verspritzt das Weihwasser wie Champagner. Teile des Ortes sind zudem von einem Unglück traumatisiert, das mehrere Todesopfer forderte – hier greift Daniel zu einer Art Urschreitherapie. Doch an der Frage, wie man mit der Tragödie umgehen soll, beginnen sich die Geister immer mehr zu scheiden: Der mächtige Bürgermeister und Sägewerksbesitzer etwa verlangt vom jungen „Priester“, die Tragödie nicht mehr anzusprechen. Während Daniel mit der jungen Marta dennoch immer tiefer in die Geheimnisse der Kleinstadt vorstößt, tut sich ein Konflikt auf, in dem die Frage nach Vergebung zunehmend dringlicher wird – auch was Daniels eigene Vergangenheit betrifft.

Nach Pawel Pawlikowskis Filmen „Ida“ (2013) und „Cold War“ (2018) sorgt mit  „Corpus Christi“ derzeit ein weiterer polnischer Film auf nationalem wie internationalem Parkett für Furore. Der Preisregen bei den polnischen Filmpreisen, wo das Drama zehn von 15 möglichen Trophäen auf sich vereinte, war nur ein weiterer Höhepunkt seiner Erfolgsgeschichte. Seit der Uraufführung bei den Filmfestspielen in Venedig 2019 lief die Studie auf mehr als 60 Festivals weltweit, wurde für den Auslands-„Oscar“ nominiert und in über 50 Länder verkauft.

Start: 03.09.2020