Körners Corner - schreiben über Film


16. September 2024

Geht runter wie Öl

Da ist überhaupt nichts Despektierliches an der Überschrift! Hugh & DK Welchman haben es einfach wieder getan. Sieben Jahre nach ihrem weltumspannenden Erfolg mit LOVING VINCENT legt das Regieduo ein nächstes animationsstilistisch packendes Werk vor, das vor allem noch einmal jenes Kinopublikum staunen lassen dürfte, das glaubt, schon so gut wie alles gesehen zu haben. Der frappierende Effekt von DAS FLÜSTERN DER FELDER – knapp gesagt: fließende, von 100 Künstlerhänden gemalte Ölbilder auf von echten Darstellern (Kamila Urzedowska, Robert Gulaczyk, Mirosław Baka, Sonia Mietielica) gespielten Szenen – wird sich ein weiteres Mal einstellen. Noch dazu atmet die Narration der Geschichte diesmal nicht nur an der Oberfläche gelebte Historie.
Reichlich 100 Minuten für 1000 Seiten eines vor 100 Jahren mit dem Nobelpreis gekrönten Buches: Władysław Reymonts „Die Bauern“ spiegelt das polnische Land im 19. Jahrhundert, zeigt Traditionen, Riten, Kultur, Wodka, Polka, Gewalt und Gottesfurcht. Von heute aus besehen, stellen die Welchmans mit diesen Elementen ihren Fokus auf Jagna scharf, die sich den Konventionen im Dorf nicht fügen mag. Es ist keine Überraschung.
Für die Arbeit auf den Feldern sei sie nicht gemacht, sagt die schöne, junge Frau, eher für das muntere Treiben als Wildfang. Es sind die anderen, die glauben zu wissen, was gut für sie ist. Ein Leben in Armut jedenfalls nicht, weiß Jagnas Mutter und hat Pläne. Solche hat auch der einflussreiche Bauer Boryna, dem gerade die Frau gestorben ist. Dumm nur, dass Jagna ausgerechnet mit dessen verheiratetem und eh schon widerborstigen Sohn Antek mehr als nur herumschwarwenzelt und auch den grundlegenden Respekt für Borynas Töchter vermissen lässt. Ist der Ruf erst ruiniert …
Vier Jahreszeiten lang dauert DAS FLÜSTERN DER FELDER und sucht beim Triggern der Emotionen das gesamte Spektrum. Was sich anfangs noch im eher Schlichten manifestiert, im bunten Gewimmel eines folkloristischen Potpourris und man sich fragt, für welches Ziel sich hier bitte eine Gruppe formieren soll, findet der Film mehr und mehr seinen Ton, auch den dunklen, harten, allegorischen. Der Winter hat daran maßgeblichen Anteil, die Erweiterung der Handlung aufs ganze Dorf und dass der besondere Animationsstil eben auch präzise Gesten, Gesichtszüge und Mundbewegungen beim Sprechen und Singen der Charaktere ermöglicht. Das wird dann schnell mal furios und zu atemberaubender Kinokunst.

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