11. Juli 2024
Bewegen sich Europäer filmisch in Japan, müssen sie demnächst mit dem Wenders rechnen. PERFECT DAYS wirkt nach. Die Französin Èlise Girard ist für ihren Drittling mit zwei im Grunde Einheimischen vor der Kamera nach Fernost gereist, verfolgt also das gängige Muster kultureller Berührungen. Ansonsten ist an ihrer zu dritt ausgedachten und so klug wie zurückhaltend umgesetzten Geschichte nicht viel Gängiges.
Sidonie Perceval – der Name klingt schon literarisch genug – ist in der Tat Schriftstellerin. Ihr sehr persönliches, vor vier Jahrzehnten verfasstes erstes Buch soll neu veröffentlicht werden, Sidonies japanischer Verleger Kenzo Mizoguchi (Tsuyoshi Ihara) hat sich nicht minder persönlich darum gekümmert und wird sie bei gesetzten Terminen und später bei dem, das sich einfach so ergibt, mit allem asiatischen Respekt betreuen, ihr die Handtasche tragen, immer „bei Ihnen sein“, trotzdem Abstand halten – und ihr nahekommen. MADAME SIDONIE IN JAPAN – leider wurde hier zum originalen Titel wieder mal die „Madame“ angedeutscht – fremdelt, wacht mehr, als dass sie schläft, bekommt es bald aber mit den Konturen der Wirklichkeit zu tun. Denn Antoine, ihr tödlich verunglückter Ehemann, taucht auf. Unvermittelt. Immer wieder. Fast echt, zum Reden nah. Und ganz nebenbei ist es ein (August) Diehl für die Huppert.
Geister gehören in Japan zum Kulturbegriff, Kirschblüten und Tempel sowieso und Rituale sind gesetzt. Sidonie Perceval wird in diesem besonderen Liebesfilm, der leise wie behutsam von Abschied und Loslassen, Willkommen und Zufassen erzählt, ganz neu auf einen Menschen treffen, der sehr wichtig für den Rest ihres in reiferen Jahren angelangten Lebens werden könnte: sie selbst. Nur so kann sie noch einmal Platz schaffen für einen neuen Mann an ihrer Seite. Und wer weiß, vielleicht bleibt sie ja länger in Japan und besucht an einem von vielen PERFECT DAYS eines dieser außergewöhnlichen Architekten-WCs in Tokio. Doch das war eine ganz andere Geschichte.
Übrigens sagt Isabelle Huppert als MADAME SIDONIE IN JAPAN gewichtige Dinge, beispielsweise: „Das Schreiben ist das, was übrig bleibt, wenn man sonst nichts mehr hat. Nur noch Verzweiflung und manchmal nicht mal das.“ Denkt da wer ganz schelmisch an die Rubrik „Körners Corner – schreiben über Film“?