Körners Corner - schreiben über Film


7. März 2024

Sabin Tambrea ist viele. Jetzt ist er Kafka

Und er ist eine Erscheinung. Mit unverkennbaren Gesichtszügen. Groß gewachsen. Irgendwie rätselhaft auch. Sabin Tambrea, 39, war zuletzt Mönch in NARZISS UND GOLDMUND, Ost-Stil-Ikone in IN EINEM LAND, DAS ES NICHT MEHR GIBT und Strafverteidiger Dr. Fritz Jerichow in der Serie DEUTSCHES HAUS. Jetzt spielt er an der Seite von Henriette Confurius den Dichter Franz Kafka in seinem letzten Lebensjahr. Zur Premiere von DIE HERRLICHKEIT DES LEBENS kommen beide ins Programmkino Ost. Für diejenigen, die das Glück hatten, Karten für eine der beiden Veranstaltungen zu bekommen, und jene, die sich einfach für Sabin Tambrea interessieren, an dieser Stelle Interviewauszüge. Ich traf den Schauspieler 2022 – und war sehr angetan von seiner ruhigen, sachlichen, uneitlen Art.

Herr Tambrea, Sie waren zwei Jahre jung, als sie von Rumänien aus in den Westen Deutschlands kamen. Wie haben Sie bei Ihren Eltern nachgefragt über diese Zeit?
Ich arbeite gerade an meinem zweiten Buch. Es soll die Flucht meiner Eltern aus Rumänien thematisieren und ich habe tatsächlich erst kürzlich damit begonnen, intensiver nachzufragen. Einerseits mache ich mir Vorwürfe, nicht früher damit angefangen zu haben, andererseits ist es dafür jetzt wenigstens nicht zu spät, denn Vater und Mutter leben noch. Darüber bin ich froh. Jetzt bekomme ich Antworten über Rumänien und meine Familie, die mich überraschen oder auch nicht, die mich schockieren oder auch nicht. Ich hatte das große Glück, dass mein Großvater Memoiren geschrieben hat, die er uns Enkelkindern vererbt hat, geschrieben in einen Tageskalender, über die Zeit seiner unrechtmäßigen Haft im Gefängnis. Heute, 25 Jahre nach seinem Tod, höre ich dadurch seine Stimme und er erzählt Dinge, die er mir damals nicht erzählen konnte.

Was für eine schöne und seltene Gelegenheit!
Ja, und ich bedauere sehr, dass heute so wenige junge Menschen echtes Interesse an Geschichte haben. Wo immer man die Chance hat, aus der Vergangenheit für die Zukunft zu lernen, muss man sie nutzen und diesen Weg auch unterstützen.

Sind Sie oft in Rumänien?
Ich bin nach über sechs Jahren erst wieder hingefahren. Damals ist meine Großmutter gestorben und es begann für mich eine Art Abnabelungsprozess. Rumänien hörte auf, Heimat zu sein. Jetzt ist es das Land, aus dem ich stamme, das aber nicht mehr meines ist. Ich kann dort weiterhin Rumänisch sprechen, mit starkem deutschen Akzent zwar, aber man versteht mich. Jetzt war ich zur Recherche da, um Orte zu finden, die für meine Familie wichtig waren. So habe ich den Folterkeller der Securitate besucht, in dem mein Opa gequält wurde. Er ist heute eine Bar ...

Bei Ihnen war eine klassische Musikerkarriere vorgezeichnet. Ihre Eltern sind professionelle Musiker, Sie selbst haben viele Stufen der Ausbildung durchlaufen und Preise gewonnen. Was hat es für Sie gebraucht, um sich mit 17 konsequent gegen den Beruf eines Musikers zu entscheiden?
Mut vor allem! Ich habe mit vier Jahren begonnen, Geige zu spielen und es war von da an klar, dass der Junge Musiker wird. Viel Arbeit und viel Disziplin folgten auf dem Weg. Meine Mutter hat mich irgendwann, um mein Lampenfieber zu lindern, ins Theater gesteckt, damit ich etwas Routine bekomme. Als ich dort dann gesehen habe, wie viel Spaß es machen kann, auf einer Bühne zu stehen, ohne vier Stunden am Tag Tonleitern zu schrubben, habe ich nachgedacht. Und dann brauchte es diesen Mut, sich gegen die Musik zu entscheiden. Es begann aber noch ein anderer Kampf, der, sich an Schauspielschulen zu bewerben und sieben Absagen durchzustehen.

Welche Rolle spielt heute Musik für Sie?
Musik ist meine Muttersprache. Ich habe sie erlernt, bevor ich richtig Deutsch sprechen konnte. Musik ist für mich der direkteste Ausdrucksweg, Sprache ist eine Schublade, in die man einen Gedanken pressen muss. Musik ist freier. Sie bleibt die Basis meiner Arbeit.

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