6. Februar 2025
Und dann doch! Nicht nur, dass es zur Kino-Preview eine Käseverkostung im Foyer gegeben hat, der edle Comté – freilich handgemacht – wurde in Louise Courvoisiers Debüt KÖNIGE DES SOMMERS für eine nicht unwichtige Rolle besetzt. Es ist keine tragende, aber eine, die Dinge quasi übers Käserad zu lenken vermag. Für den 18-jährigen Totone, seine siebenjährige Schwester Claire, für die Clique, die sich um die beiden schart. Es sind mehr als Kumpels, es sind Freunde. Wer sonst verkauft sein geliebtes und über zig Stunden frisiertes Stockcar, um einen Traktor einzulösen?
Doch, der Reihe nach. Totone (wunderbar griffig gespielt von Clément Faveau, im echten Leben Hühnerzüchter) ist kein Jüngling von Traurigkeit. So etwas wie Stadt ist weit weg dort im französischen Jura, also ist das Epizentrum des Alltags überschaubar: von Milchprodukten dominierte Landwirtschaft der Generationen, weite Wege zur Schule, Dorffeste als Entertainment-Spot, die Mädchen von hier und gar nicht unwillig. Wenn es mal schief läuft mit ihnen, gibt es aufs Gesicht. Der Ton ist rau und schmutzig wie die Füße der Kinder. Und getrunken wird! Zeitig, viel und dann länger. Totones Vater – eine Mutter wird nicht zu sehen sein – legt schon mal ordentlich vor, doch, final zurecht gemacht, in Autos zu steigen und loszufahren, kann selbst in verkehrsregellosen Territorien heikel enden.
Totone und Claire haben plötzlich nur noch sich. Der Große handelt nach Gefühl, um ein Leben mit der Kleinen irgendwie hinzubekommen. Auch, weil der väterliche Hof nicht viel hergibt und gleich gar nichts abwirft. Den Traktor zu verkaufen, ist da vielleicht keine gute Idee, aber Folge einer Zwangsläufigkeit. Ebenso die Tatsache, in der nahen Molkerei einen Handlanger-Job anzunehmen. Dumm nur, dass dort die Brüder von Marie-Lise arbeiten, einer so herben wie taffen jungen Frau, die es auf eigene Weise schon zu mehr Selbstständigkeit gebracht hat. Logisch, dass ein Ja bei ihr wirklich ein Ja ist. Totone ist schnell in der Defensive gelandet, weiß ihre Offerte gegen alle Widerstände und Misslichkeiten aber anzunehmen.
KÖNIGE DES SOMMERS erhebt sich vom Horizont eines Coming-of-age-Films und überzeugt mit leichter, sicherer Hand, galant die Tonlagen zwischen Komödie und Tragik, Fiktion und Dok-Gefühl wechselnd, „voll echt“ gespielt, weil es Laien sind und Regisseurin Louise Courvoisier, Jahrgang 1994, von dort stammt, wo sie ihre so rustikale wie frischluftige Geschichte handeln lässt und das übrigens unter starker familiärer Mithilfe von Charles, Ella und Linda Courvoisier in den Sparten Musik und Ausstattung. Totone wird auf kantigen Sohlen und mit kargen Worten zum Titan. In einem anderen, sehr gern französischen Film hätte das mit den 30 000 Euro Preisgeld beim regionalen Comté-Wettbewerb sicher geklappt. Hier aber ist der Kupferkessel einfach zu oll, der Käse zu frisch. Die Bilder auf dem Weg dorthin, gerade zwischen den beiden Geschwistern, sind schlichtweg delizös. Man könnte auch sagen: reif. Und die beste Sex-Szene der letzten Kinomonde ist auch dabei. Totones Kommentar vom mittleren Bereich unter Marie-Lises Bettdecke aus: „Du riechst nach Kuh!“