Denis Villeneuve - Das frühe Werk

Als Denis Villeneuve 2011 in Kanada mit dem National Arts Centre Award geehrt wurde, drehte er anlässlich der Preisverleihung einen Kurzfilm mit dem irreführenden wie schönen Titel RATED R FOR NUDITY (R für Nacktheit). Irreführend, weil es im Film gar keine nackten Körper zu sehen gibt. Schön, weil Villeneuve stattdessen spielerisch sein künstlerisches Selbst entblößt: Selbstironisch gibt der Regisseur vor, sein Publikum mit suggestiven Bild- und Texteinblendungen zu beeinflussen und gewährt dabei auch gleich Einblick ins eigene Unterbewusstsein. Insbesondere, wenn eine Stimme aus dem Off sinngemäß sagt „Mein Traum war es, der nächste Ingmar Bergman zu sein“, dazu auf der Leinwand aber der Name Steven Spielbergs eingeblendet wird.
Dieser subtile Witz nahm erstaunlich prophetisch vorweg, warum der frankophone Kanadier nur wenige Jahre später so gefragt in Hollywood sein sollte. Denn dort, wie auch im Rest der Welt gilt Denis Villeneuve heute als Künstler, der die vermeintlich ausschließlichen Qualitäten eines Bergmans und eines Spielbergs vereinen kann. Tatsächlich versteht es Villeneuve wie nur wenige zeitgenössische Filmemacher, komplexe psychologische Innensichten in eine eindrückliche, mühelos zwischen Realismus und Phantasmagorie oszillierende Bildsprache zu übersetzen.
Was die Arbeiten des 1967 geborenen Ausnahmeregisseurs eint, ist eine Aufrichtigkeit im Umgang mit den Figuren, zu denen seine Filme eine empathische, nicht selten schmerzliche Nähe wahren. Und dass er dabei zwischen Autorenfilm und Blockbuster seinen Stilwillen und dramaturgischen Mut bewahrt hat und sich zugleich frei von Manierismen zeigt, ist nichts weniger als ein Glücksfall für das Weltkino. Darum ist auch egal, welche Herausforderung als Nächstes für den Regisseur kommen mag, die Zeit der Vergleiche ist vorbei. Nicht Ingmar Bergman. Nicht Steven Spielberg. Sondern einfach Denis Villeneuve.